Wie einst die Großmutter – Die Geschichte des Strickens
Dass das Stricken über eine lange Tradition verfügt, ist in diesen Tagen nicht mehr zu bestreiten. Doch glaubt man manchen Darstellungen, so konnten bereits die Menschen in der Antike ihre eigene Kleidung stricken. Genauere Nachforschungen machen allerdings deutlich, dass diese Textilien meist nur nadelgebunden waren. Wir wollen deshalb der Geschichte des Strickens in diesem Artikel genauer auf die Spur kommen. Bis heute handelt es sich schließlich um eine zentrale, wenn nicht um die zentralste Technik der Herstellung moderner Mode.
Entstehung im frühen Hochmittelalter
Wer nachweisen möchte, ab wann die Geschichte des Strickens begonnen hat, ist vor allem auf entsprechende Funde angewiesen. Da Textilien jedoch im Laufe der Jahrhunderte zerfallen, handelt es sich um äußerst schwierige historische Quellen. Aktuell gilt als gesichert, dass die Technik des Strickens irgendwann gegen Ende des Hochmittelalters, also etwa im 13. bzw. 14. Jahrhundert, entstanden sein muss. Zu dieser Zeit fand die Technik wohl aus dem Nahen Osten über die Seidenstraße den Weg bis nach Italien. Erstmals in der Geschichte wurde also bei der Herstellung von Textilien mit dem sogenannten Endlosfaden gearbeitet. Zuvor hatten die Menschen stets mehrere tragende Fäden in ihren Webmustern zum Einsatz gebracht.
Später gibt es dann auch bildliche Nachweise dafür, dass die Menschen im Hochmittelalter dazu in der Lage waren, ihre Kleidung selbst zu stricken. Dies zeigen Abbildungen, bei denen vor allem das einfache Rundstricken dargestellt wurde. Schnell wurden auf diese Weise Textilien hergestellt, die vor allen Dingen der hohen gesellschaftlichen Schicht vorbehalten waren. Ab dem 13. Jahrhundert bekam etwa der Papst gestrickte Handschuhe, die für liturgische Abläufe angelegt wurden. Da diese mit feinsten Fäden gestrickt wurden, dauerte es endlos lange, bis ein solches Paar gefertigt war. Entsprechend hoch war in der Folge auch der Wert, der diesen Textilien zugrunde lag.
Ab dem 15. und dem 16. Jahrhundert belegten in Deutschland dann auch die unterschiedlichen Zünfte, dass sie mit dem Stricken vertraut waren. In ihren Berichten und Quellen ist immer wieder von gestrickten Textilien die Rede. Die Technik dürfte außerdem zu dieser Zeit schon über ganz Europa verbreitet gewesen sein. Ab dieser Zeit etwa konnte auch die gesamte Bevölkerung darauf setzen, in den Genuss gestrickter Waren zu kommen. Nach und nach entwickelte sich das Stricken zu einer erschwinglichen Technik, die günstige Kleidung in die Produktion brachte. Von diesem Punkt an war dann auch der Siegeszug der Technik nicht mehr aufzuhalten.
Große Einflüsse in der Mode des 20. Jahrhunderts
Die vielen neuen Techniken zur Fertigung von Mode, die im 19. und 20. Jahrhundert entstanden sind, brachten neue Kleidungsstile mit sich. In Anbetracht dieser Tatsache ist es mehr als beachtlich, dass das Stricken seine wichtige Rolle in diesem Kontext weiter bewahren konnte. Nicht nur in Handarbeit wurde weiterhin auf diese alte Kulturtechnik gesetzt. Auch die industrielle Mode des 20. Jahrhunderts war nach wie vor durch das Stricken geprägt. Im Internet finden sich hochwertige Zusammenstellungen zur historischen Mode jener Jahrzehnte, die einen schönen Eindruck von der Verarbeitung liefern – so hat es ausgesehen.
Manche Historiker vermuten die Ursprünge der neuen Begeisterung für das Stricken im 20. Jahrhundert auch in der wirtschaftlichen Situation nach dem zweiten Weltkrieg. Nach der Stunde Null musste das Land über weite Strecken neu aufgebaut werden, dies galt natürlich auch für die lokale Wirtschaft. Bis zur Einführung der D-Mark war es in der Folge kaum möglich, Textilien in den Geschäften zu erwerben. Aus dem Grund haben sich viele Menschen dazu entschlossen, wieder selbst zu den Nadeln zu greifen. Die Produktion von Strickwaren in eigener Arbeit war für viele der einzige Weg, um in dieser Zeit an neue Textilien zu kommen.
Die Erfindung der Strickmaschine
Eine besondere Geschichte des Strickens verbirgt sich auch hinter der Erfindung der ersten Strickmaschine, welche eine industrielle Produktion der Ware zum ersten Mal möglich machte. Der Erfinder William Lee lernte als Student an der Universität von Cambridge ein armes Mädchen kennen, in das er sich verliebte und das er schließlich heiratete. Als er später in seinem Beruf als Prediger so wenig Geld verdiente, dass ein einzelnes Gehalt nicht für die junge Familie reichte, musste seine Frau selbst Geld hinzuverdienen. Mit großem Fleiß machte sie sich an die Arbeit, Strümpfe zu stricken.
William Lee wiederum war vom Fleiß seiner Frau so beeindruckt, dass er lange überlegte, wie er sie bei ihrer Arbeit unterstützen und diese schneller gestalten könne. Letztlich kam er auf die Idee, Nadelspitzen mit kleinen Häkchen zu schaffen, welche maschinell in die Maschen greifen konnten. Auf diese Weise konnte er letztlich im Jahr 1589 den ersten funktionsfähigen Handkulierstuhl vorführen. Wirtschaftlich machte sich diese Erfindung ebenfalls nach kurzer Zeit bezahlt. Die Arbeit wurde durch diese Erfindung sechsmal so schnell. Durch die rasche Verbreitung seiner Erfindung, die er durch eine gute Vermarktung durchsetzen konnte, machte er in der folgenden Zeit ein Vermögen. Das ursprüngliche Ziel, seine Familie aus den armen Verhältnissen zu befreien und in eine finanziell gesicherte Zukunft zu führen, wurde in jedem Fall erreicht.
Die Entwicklung zum Lifestyle-Trend
Wer heute selbst strickt, macht dies nicht mehr aus finanziellen Gründen. Die moderne Produktion ist zu einem guten Teil dafür verantwortlich, dass Textilien heute sehr viel günstiger gekauft werden können. Allein die Kosten für die Wolle, die beim Stricken unter eigener Regie anfallen, sind in diesen Tagen nicht zu unterschätzen. Stattdessen nutzen viele Menschen das Stricken, um sich selbst kreativ auszuleben. Schließlich handelt es sich um ein schönes Hobby, dem mit gutem Gewissen nachgegangen werden kann.
Zuletzt ist auf der Basis des Strickens sogar eine neue Bewegung entstanden – das Guerilla Knitting. Gemeint ist mit dieser Bewegung eine Kunstart, die durch Strick den öffentlichen Raum verändern möchte. Heute ist dies in einigen Städten fast schon auf selbstverständliche Art und Weise sichtbar. Dies gilt für die Fahrräder, die auf diese Weise kunstvoll gestaltet sind. Aber auch Bäume bekommen durch das Stricken ein neues Gewand. In Frankfurt am Main sorgten diese Aktionen erstmals im Jahr 2010 für großes Aufsehen. Inzwischen versteht sich Guerilla Knitting sogar als eine politische Bewegung. In jedem Fall handelt es sich um eine Form der Streetart, die ihre Spuren im öffentlichen Leben hinterlassen konnte.