Ein Besuch im Verein Museum Schafwollfabrik in Ried im Oberinntal zahlt sich aus. Wieviele Arbeitsschritte sind bzw. waren notwendig, um aus roher Schafwolle verkaufsfertige Strickwolle zu fertigen? Schon mal etwas von Wolfen, Krempeln, Kardieren und Zwirbeln in Bezug auf die Produktion von Schafwolle gehört? An die zwanzig bis zu hundert Jahre alte mit Wasserkraft betriebene Maschinen wurden hier liebevoll in unzähligen Arbeitsstunden restauriert und werden in diesem einzigartigen Museum zur Schau gestellt. Wir erleben Rattern, Ächzen und ein Geruchsgemisch aus Schafwolle und Maschinenöl. Teilweise werden diese altehrwürdigen Maschinen bei geführten Museumstouren in Betrieb gesetzt und vorgeführt. Man kann dabei zusehen, wie hier – so wie vor hundert Jahren schon – hochwertige Schafwolle zum Stricken, Weben, für Loden und farbenprächtige Vliese gefertigt werden. Europaweit, wenn nicht weltweit gibt es kein zweites Museum dieser Art, wird uns von Michael Schöpf persönlich bei unserem Besuch nahegelegt.
Aber nun zurück zum Tiroler Bergschaf, das den Sommer über auf über 2000 Höhenmetern und den Winter über im Stall verbringt. Pro Jahr und Schaf werden 2,5 bis 5 kg Wolle gewonnen. Es wird zweimal im Jahr geschoren, einmal im Frühjahr und einmal im Herbst. Die qualitativ höherwertige Schafwolle erhält man natürlich im Herbst nach dem Sommer. Auch ist das Bauchhaar zum Beispiel nicht so widerstandsfähig, reißfest und vor allem kürzer als das Fell an den Seiten. Diese rohe Schafwolle wird vom Bauern in Säcke gepackt und verkauft. Da gibt es natürlich große Qualitätsunterschiede, es wird geprüft und gefeilscht. Im zweiten Schritt muss die Schafwolle von Unreinheiten wie Schmutzpartikeln, Heu oder Stroh befreit werden. Als Tierprodukt ist die rohe Schafwolle ölig und muss gewaschen und getrocknet werden. Jetzt fühlt sie sich schon wesentlich kuscheliger an! Die Schafwolle wird frühestens nach dem Waschen gefärbt. Die gewaschene Wolle wird nun vor dem Spinnen gekämmt, um die Fasern zu entwirren. Das nennt man Kardieren. Dabei werden die kreuz- und querliegenden Fasern mithilfe der Kandiermaschine in eine Richtung gekämmt. Nach dem Kardieren wird die Wolle mithilfe einer Spinnmaschine versponnen. Damit ein Faden entsteht, müssen die Schafwollfasern miteinander verdreht werden. Der gesponnene Wollfaden kann nun entweder zum Wollknäuel zum Stricken weiterverarbeitet werden oder sie wird verwebt, zu herrlichen, dicken Schafwollteppichen beispielsweise. Wird dünnerer gewebter Stoff anschließend gewalkt (Walkmaschine), erhält man einen kompakten, warmen Stoff – den beliebten Loden, der gerne zu Trachtenjacken oder Lodenmänteln weiterverarbeitet wird. Eine andere Technik ist das Filzen, wobei die Eigenschaft der Wollfäden, sich ineinander zu verhaken, genutzt wird. Heißes Wasser und Seife werden hierbei benötigt.
Zum Ende unserer geführten Tour mit Michael Schöpf persönlich bekommen wir noch ein paar musikalische Gustostückerln auf seinem ebenfalls historischen, in einer alten Scheune aufgetriebenen und eigenhändig restaurierten Flügel zu hören. Auch das kann er!
Gadgets aus Schafwolle
Sehr gerne werden wir dann im Museumsshop fündig, wo im kleinen Rahmen aus eigener Produktion immer noch Wolle, Selbstgewebtes, Gefilztes und Gestricktes in Einzelanfertigung angeboten wird. Aber auch nicht zu verachtende mehr noch – köstliche – hausgemachte Schnäpse und Liköre von Ing. Gabriel Schöpf (4. Generation!) sind käuflich zu erwerben.








Zeittafel für Geschichtsinteressierte
1928 wurde die Schafwolle Loden- und Deckenfabrik von Anton und Amalia Schöpf gegründet. Noch bis in die 70er Jahre erzeugte das eigene Kraftwerk am Beutelbach Strom für die Wohnungen bei der Fabrik und zwei nahegelegene Bauernhöfe.
1931 wurde ein schwimmendes Wasserrad am Inn installiert, um die Energiezufuhr für die Fabrik zu erhöhen.
1954 wurde das Fabrikgebäude erweitert und die Belegschaft erweitert. Es arbeiten nun bis zu 25 Angestellte im Schichtbetrieb. Leider wurde ebenfalls in den 50er Jahren das Innkraftwerk durch ein Hochwasser zerstört.
1963 wurde die Schafwolle Fabrik innerhalb der Familie an Sohn Michael Schöpf weitergegeben. In dieser Zeit wurden hauptsächlich Decken aus Schafwolle, Strickwolle, Vlies und Teppiche erzeugt. In den frühen 1980er Jahren erfolgte dann durch die Konkurrenz der Bekleidungsindustrie aus den asiatischen Ländern die Wende. Von 1998 bis zum Jahr 2015 wurde das Geschäft als Schafwolle Werkstatt weitergeführt, wo nur noch Vliese hergestellt wurden.
2020 Gründung des Museum Schafwollfabrik
Eine Tiroler Familiengeschichte wie aus dem Bilderbuch, danke für den Besuch!
Verein Museum Schafwollfabrik Ried – Frauns
Website: www.museum-schafwollfabrik.at (aktuelle Führungen und Öffnungszeiten, um telefonische Voranmeldung wird gebeten)
Familie Schöpf
Haus-Nr. 101 | 6531 Ried i.O.
T +43 680 312 50 85
Weiterlesen: gestrickter Twilly aus Schafwolle